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Zwei Onkologen

Doppelinterview mit

Zwei Onkologen

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Dr. med. Michael Mark & Prof. Dr. Med. Ulrich Mey

Zwischen Chur und Samedan

Winter 2018/19
Die beiden Leitenden Ärzte der Onkologie des Kantonsspitals Graubünden in Chur behandeln jede Woche auch Patienten im Oberengadin. Im Interview berichten sie über Therapieformen, Forschungsfortschritte und Schicksale.

 

Zweimal pro Woche kommen die zwei Onkologen des Kantonsspitals Graubünden in Chur abwechslungsweise zur Behandlung von Patienten ins Spital Oberengadin.

 

Was sind Ihre Spezialgebiete?

MARK Grundsätzlich behandle ich alle Tumorarten. Die Patienten, die ich am häufigsten behandle, sind jene mit Lungenkrebs.

MEY Ich behandle ebenfalls alle Tumorarten, bin aber auf die Hämatologie, z. B. Blutkrebs und Lymphknotenerkrankungen, spezialisiert.

 

Wie gehen Sie mit dem emotionalen Thema Krebs um? 

MARK Es ist schwierig. Ich glaube, man muss akzeptieren, dass das Sterben zum Leben dazugehört. Besonders schwierig ist es, wenn man junge Leute begleitet und diese sterben müssen. 

MEY Man könnte meinen, dass wir Therapeuten über die Jahre immer routinierter mit dem Thema umgehen. Leider stelle ich das Gegenteil fest. Je älter ich werde, desto mehr macht es mir etwas aus. Das rein Medizinische wiederholt sich immer wieder und rückt deshalb in den Hintergrund, wodurch das individuelle Patientenschicksal immer mehr in den Vordergrund gelangt. Man versucht, empathisch zu sein und gleichzeitig professionell damit umzugehen.

Was ist Ihre Motivation?

MARK Wir haben viele Patienten, die gesund werden. Es sind genau diese erfreulichen Ergebnisse, aus denen ich Kraft schöpfe. Und auch wenn man jemanden, für den wir leider nichts mehr machen können, begleiten darf, kann man das Leid immerhin lindern.

MEY Für mich als Hämatologe ist es etwas einfacher als für Onkologen, denke ich, da bei mir viele Patienten dabei sind, die gesund werden können oder lange Prognosen haben. Das, was uns am allerzufriedensten macht, ist, wenn wir für den Patienten seine individuelle Behandlungslösung gefunden haben.

 

Welche Fragen und Unklarheiten der Patienten müssen Sie jeweils zu Beginn einer Behandlung klären?

MARK Am Anfang muss abgeklärt werden, was das Ziel der Therapie ist. Entweder ist das Ziel, dass der Patient danach wieder gesund ist, oder, bei Fällen, bei denen keine Heilung in Aussicht ist, die Begleitung des Patienten. Ist es eine Therapie, die den Patienten gesund machen, oder eine, die sein Leid lindern soll?

MEY Die meisten Patienten wollen wissen, wie die Behandlung aussieht, wie lange die Therapie dauert wird und wie oft sie vorbeikommen müssen. Die Fragen, welche die Patienten am meisten interessieren, sind: Werde ich wieder gesund? Wenn nicht, wie lange habe ich noch zu leben? Ich beantworte diese Fragen so gut wie möglich, damit sich der Patient darauf einstellen kann.

 

Die Patienten können nichts für ihre Krebserkrankung. Gewisse haben das Gefühl, sie seien zu negativ durchs Leben gegangen und hätten deshalb Krebs. Die Entstehung von Krebs hat aber nichts mit der Lebenseinstellung zu tun, sonder ist oftmals schicksalhaft.

Welche Tumorerkrankungen stellen Sie am häufigsten fest?

 

MARK Bei Männern ist es das Prostatakarzinom, bei Frauen der Brustkrebs. Prostatakrebs ist häufig eine Alterserscheinung und muss nicht immer behandelt werden. Die tödlichste Tumorerkrankung bei Männern ist Lungenkrebs. Frauen haben auch immer mehr Lungenkrebs.

 

MEY Das Spektrum ist sehr gross. Es sind vor allem Brust-, Prostata-, Lungen- und Magendarmtumore. Im Bereich der Hämatologie sind es insbesondere Altersleukämie, das Multiple Myelom und verschiedene Lymphone.

 

 

 

Wie werden die Tumorerkrankungen behandelt und welche Therapien gibt es noch?

 

MARK Bei aggressiven Prostataerkrankungen wenden wir einen Hormonentzug an. Sollte diese Therapie nicht anschlagen, kommen Chemotherapien zum Einsatz. Beim Brustkrebs kommt es aufs Stadium darauf an. Im Frühstadium wird der Krebs operiert und häufig anschliessend bestrahlt, woraufhin viele Patientinnen geheilt sind. Auch antihormonelle Therapien und Chemotherapien setzen wir ein. Bei jeder Patientin wird geprüft, ob die Krankheit vererbt wurde. Waren bereits mehrere ihrer Verwandten in jüngeren Jahren erkrankt, muss man genauer untersuchen, ob eine genetische Veranlagung vorhanden ist. Die meisten Brustkrebserkrankungen werden jedoch nicht vererbt.

 

MEY Es gibt die drei klassischen Säulen in der Onkologie: Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie. Bei hämatologischen Erkrankungen ist die neu hinzugekommene Immuntherapie zurzeit noch nicht so verbreitet und wird nur bei Lymphomen regelmässig angewendet. Bei soliden Tumoren wie dem Lungenkrebs oder dem Melanom, Schwarzer Hautkrebs, steht die Immuntherapie an erster Stelle. Die Patienten schätzen diese moderne Therapie, weil ihr eigenes Immunsystem den Krebs bekämpft und sie keine Chemotherapeutika einnehmen müssen.

 

Was genau ist eine Immuntherapie? Wie funktioniert sie?

MARK Die Immuntherapie ist einer der ganz grossen Fortschritte in der Onkologie. Bei gewissen Tumorarten fängt sie an, die herkömmliche Chemotherapie abzulösen. Bei der Immuntherapie wird das Immunsystem verändert, sodass es den Krebs selbst bekämpfen kann. Seit Jahren nehmen wir an vielen Studien rund um die Immuntherapie teil, heute ist sie bei der Behandlung von Schwarzem Hautkrebs, Lungenkrebs und Nierenzellenkrebs Standard.

MEY Die Immuntherapie, die im Spital Oberengadin zur Anwendung kommt, funktioniert über Infusionen. Mittlerweile gibt es auch schon verschiedene Substanzen. Die Infusionen verabreichen wir den Patienten alle zwei, drei Wochen ambulant während einer Stunde. Alle zwei bis drei Monate gibt’s dann eine Verlaufsuntersuchung, um zu prüfen, wie die Behandlung anschlägt.

Welches sind die Therapien der Zukunft?

MARK Die Immuntherapie wird laufend weiterentwickelt, denn die jetzigen Immuntherapiemedikamente wirken nicht bei jedem Tumor. Weiter gibt es die zielgerichtete Therapie. Anstatt nur zu untersuchen, woher der Tumor kommt, wird er auf Mutationen geprüft. Wenn man eine solche Mutation findet, entwickelt man Medikamente, die diese gezielt bekämpfen.

MEY In allen Gebieten stellt man immer mehr monoklonale Antikörper, Eiweisse, her, die gegen bestimmte Zielstrukturen der Tumore gerichtet sind. Ein bekanntes Beispiel ist das Rituximab, das sich bei den Lymphomen durchsetzen konnte. Die Prognose konnte gegenüber früher mit Chemotherapie alleine in der Kombination mit diesen Antikörpern deutlich verbessert werden. Das gibt es mittlerweile bei verschiedenen Krankheiten, dass man solche Antikörper produziert.

 

Was ist für Sie speziell an der Arbeit im Engadin?

MARK Wir kommen gerne aus Chur ins Engadin. Für die Patienten hier nehmen wir gerne den Weg auf uns. So können wir ihnen gerade im Winter die anstrengende Reise ersparen. Das Verhältnis mit den Patienten im Engadin ist ebenfalls besonders. Ich spüre stets eine grosse Dankbarkeit. Auch ist es besonders, dass man viele portugiesische Patienten hat und die Gespräche oft auf Italienisch stattfinden.

MEY Ich fahre jetzt seit etwa zehn Jahren regelmässig und in den letzten sechs Jahren jede Woche ins Oberengadin. Ich fühle mich sehr verantwortlich für die Region. Ich schätze diese wirklich gute Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Hausärzten und den Fachspezialisten im Spital Oberengadin. Viele Spitäler in der Schweiz bieten einen Konsiliardienst mit kleineren Spitälern an, so, wie wir das in Graubünden machen, ist das aber einzigartig.