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«Wir müssen immer fünf Schritte voraus sein»

Leiter Anästhesiepflege

«Wir müssen immer fünf Schritte voraus sein»

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Anästhesiepflegerinnen und –pfleger sind die Gesamtkoordinatoren im Operationssaal. Der Leiter der Anästhesiepflege, Mischa Van der Valk, gibt uns einen Einblick hinter die Schleusen, die den Operationsbereich von der Aussenwelt trennen.

 

Mischa Van der Valk betritt um 7.15 Uhr als Erster den Operationsbereich im Spital Oberengadin. Er wechselt seine Alltagskleider gegen den blauen Kittel und die blaue Hose, setzt sich ein grünes Haarnetz und eine chirurgische Nasen-Mund-Maske auf. Dann betritt er den Operationssaal. Van der Valk bereitet sich für die erste Operation des heutigen Tages vor. Die OP-Pflegerinnen und -Pfleger, ebenfalls ganz in Blau, sind schon da. Es wird ein kleiner Eingriff, doch die Vorbereitung ist trotzdem ein genaues Prozedere und erfordert jedes Mal hohe Konzentration. «Wir müssen immer fünf Schritte voraus sein», sagt Van der Valk. Mit schnellen, geübten Griffen zieht er Medikamente in Spritzen auf: «Die Vollnarkose ist eine Mischung aus Schmerzmedikamenten, Schlafmittel und Blutdruckregulierern.» Gewisse Notfallmedikamente sind Standard und werden vor jeder Operation vorbereitet, andere müssen für ­jeden Patienten individuell dosiert werden: Gewicht, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand sind entscheidend. «Das Ziel von uns Anästhesiepflegenden ist es, die Chance, dass wir etwas verpassen, auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.» Diese anspruchsvolle Philosophie des Vorausdenkens gefällt Van der Valk an seinem Job.


Die Anästhesistin betritt den Operationssaal und fragt nach einem bestimmten Medikament, das sie während der Operation brauchen könnte. Van der Valk, der die Präferenzen der verschiedenen Ärztinnen und Ärzte bestens kennt, hat es bereits vorbereitet. «Du bist gut, danke», freut sich die Ärztin. «Wir arbeiten Hand in Hand mit den Anästhesistinnen und Anästhesisten, wie Pilot und Co-Pilot», sagt Mischa Van der Valk.

 

«Die Grösse des Spitals ist perfekt: Es ist klein, aber die Arbeit trotzdem sehr breit und herausfordernd.»

Einfühlungsvermögen und höchste Wachsamkeit

 

Als Jugendlicher wollte Van der Valk, der in den Niederlanden aufgewachsen ist, Pilot werden. Seine Farbenblindheit liess dies jedoch nicht zu, sodass er, von einem Freund motiviert, die Ausbildung zum Anästhesiepfleger machte. In die grosse Verantwortung, die man in diesem Beruf hat, sei er mit der Zeit reingewachsen. Er arbeitete in Spitälern in Leiden und Amsterdam, bevor ihn das Ausland lockte und er 1994 zum ersten Mal in die Schweiz gekommen ist. Das Schweizer System war dem niederländischen ähnlich, was ihm gefiel. Als fünf Jahre später eine Stelle in den Bergen frei wurde, zögerte der Snowboarder nicht lange und kam ins Engadin. 21 Jahre danach arbeitet der zweifache Familienvater noch immer im Spital Oberengadin und liebt die Abwechslung zwischen Job und Freizeit. «Die Grösse des Spitals ist perfekt: Es ist klein, aber die Arbeit trotzdem sehr breit und herausfordernd.» Und das Team der Anästhesiepflegerinnen und -Pfleger sei überschaubar und harmoniere super.

 

Um 7.40 Uhr ruft Mischa Van der Valk auf dem 5. Stock an, damit die Patientin in den Operationssaal gebracht wird. Nun machen sich auch der Operateur und sein Assistenzarzt bereit. Zehn Minuten später betritt die Patientin mit einer Pflegefachfrau die Schleuse und wird von der Anästhesistin und Van der Valk begrüsst. Während der Übergabe werden mit der Pflegefachfrau alle Daten der Patientin abgeglichen. Die Patientin legt sich auf die OP-Liege, wird mit Wärmepolstern zugedeckt und in den Operationssaal gefahren. Van der Valk legt am Arm der Patientin gekonnt einen venösen Zugang, macht einen Witz, der die Patientin zum Lachen bringt und wenige Minuten später schläft sie bereits. Anästhesiepfleger brauchen ein gutes Einfühlungsvermögen, um jeden Patienten so zu betreuen, dass er sich in dieser ungewohnten Situation möglichst wohlfühlt. Bei Lokalanästhesien noch mehr als bei Vollnarkosen. «Es ist ganz unterschiedlich, gewisse Patienten wollen gar nicht reden, andere die ganze Zeit über.»

 

An den Monitoren überwacht Van der Valk die Herzfrequenz – ein regelmässiges Piepsen-, den Blutdruck und die Hirnströme, anhand derer er sicherstellt, dass die Patientin tief genug schläft. «Jetzt schläft sie so tief, dass wir für sie das Atmen übernehmen», erklärt er und legt eine Sauerstoffmaske in den Rachen der Patientin. «Während der Narkose träumt man wegen der Medikamente meist schöne Dinge und die Patienten empfinden den Schlaf als sehr erholsam.»

 

Mitgestalten statt nur ausführen

 

In seiner Rolle als Gesamtleiter des OP-Betriebes arbeitet Van der Valk nicht nur im Operationssaal direkt am Patienten, sondern koordiniert auch die Nutzung der Operationssäle. «Das OP-Programm wird am Vortag festgelegt und meine Aufgabe ist es, die Mitarbeitenden und die Räumlichkeiten möglichst wirtschaftlich und gleichzeitig sinnvoll einzuplanen.» Van der Valk hat diverse Aus- und Weiterbildungen absolviert, unter anderem ist er diplomierter Abteilungsleiter Gesundheitswesen und eidgenössisch diplomierter OP-Manager. «Es gefällt mir, mitgestalten zu können und mit allen Beteiligten Lösungen zu suchen, ich bin ein Teamplayer.» Als Vorstandsmitglied im Berufsverband der Anästhesie­pflegerinnen und -pfleger setzt sich Van der Valk schweizweit für Spitäler in der Peripherie ein, da diese ganz andere Arbeitsabläufe und Herausforderungen haben, als die grossen Zentrumsspitäler.

 

8.10 Uhr: «Wir fangen an», sagt der Operateur, damit alle Bescheid wissen. Die Patientin könnte zum Beispiel mit Husten oder einer Blutdruckveränderung auf den Beginn der Operation reagieren, es verläuft jedoch alles gut. Mischa Van der Valk kontrolliert die Körpertemperatur und dass die Augen der Patientin zu sind. «Ich überlege mir immer, wie ich gerne behandelt werden würde, wenn ich hier liegen würde und versorge die Patienten dementsprechend.«Er dokumentiert alles und bereitet bereits die Medikamente für den nächsten Patienten vor. Nach 15 Minuten ist der Eingriff vorbei, Van der Valk leitet das Aufwachen ein, die Patientin kommt langsam zu sich und wird später in der Schleuse wieder von der Pflegefachfrau in Empfang genommen. Eine Teamleistung, bei der es jeden einzelnen braucht.

 

«Eine Narkose wie diese, bei der alles rund läuft oder einen turbulenten Tag mit vielen Notoperationen ­erfolgreich bewältigt zu haben, macht mich stolz und ist sehr befriedigend», sagt Mischa Van der Valk.

 

Anästhesie

Das Wort Anästhesie ist altgriechisch und bedeutet «Empfindungslosigkeit». Darunter versteht man in der heutigen Medizin das Einleiten, Überwachen und Beenden von Voll- und Regionalnarkosen für Operationen, Behandlungen oder Diagnosen. Notfallmedizin, Intensivmedizin und Schmerztherapie sind ebenfalls Bereiche des Fachgebietes Anästhesie.